• Stein/Zeit
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Stein/Zeit von Andreas Benkwitz

August 2022: Kreuth, am südlichsten Ende Deutschlands, Glashütte, hoch oben auf der Alm; auf einer einsamen Wiese steht ein Mann in der gleißenden Mittagssonne und wuchtet einen schweren Stein von hier nach dort, auf einen Felsen, setzt in dort ab, stellt ihn auf seine Spitze, richtet ihn aus, und: lässt los. –

Der Stein steht. Völlig frei. Ohne Hilfsmittel.

Und bleibt stehen.

November 2025: Wieder Kreuth, durch das enge Gebirgstal fließt die Weissach von den Blaubergen bis zum Tegernsee; mittendrin im kalten Wasser steht derselbe Mann im T-shirt, die Hosen hochgekrempelt. In seinen bloßen Händen hält er einen unförmigen Steinbrocken, den er aus dem Wasser gehoben hat, vielleicht 30 Kilogramm schwer. Er trägt ihn zu einem Felsen, setzt in dort ab, stellt ihn auf seine Spitze, richtet ihn aus, und erneut: lässt los. –
Der Stein steht. Völlig frei. Ohne Hilfsmittel. Unglaublich. –
Perfekt ausbalanciert. –
Magisch.

So oder ähnlich haben seit 2022 viele Menschen den Künstler Andreas Benkwitz bei der Produktion seiner vergänglichen Skulpturen beobachten können. Inzwischen nicht nur in seiner Heimat Kreuth, sondern überall in Deutschland, England, Norwegen oder der Türkei.
Benkwitz plant nicht; seine Kunst braucht keine Vorbereitung. Was er braucht, hat er bei sich: taktiles Feingefühl, Körperkontrolle und Geduld; solange, bis Grundstein und Stellstein ihr fragiles Äquilibrium miteinander eingehen und zu einer ephemeren Skulptur werde.

Nur für den Moment. Immer wieder.

Der Künstler begibt sich dabei häufig an Orte, an denen sich selten Menschen aufhalten: mitten in den Fluß, wie hier. Vor dem sich immer ändernden Kontext der Natur arbeitet er mittendrin, mit Stein, Holz und Zeit zur Schaffung seiner ephemeren Werke. Die Natur wird dadurch zur Kunst, indem er sie minimal neu arrangiert und dadurch auf ihre Besonderheit des Materials, der Form und der Oberfläche hinweist. Benkwitz schafft damit poetisch-stille Skulpturen, Steinporträts, die trotz ihrer großen Spannung absolute Ruhe ausstrahlen. Stein, das bedeutet Ewigkeit, Weltalter, Dauer, Überdauern; im starken Kontrast dazu das Risiko des Balanceakts, mit der permanenten Gefahr des Scheiterns. Nur im Augenblick gelingt die Auflösung des scheinbar unüberwindbaren Gegensatzes. Die Fotographien bannen den Moment und überführen ihn erneut in eine dauerhaftere Form. Diese Webseite zeigt eine kleine Auswahl der dokumentierten Projekte. Erfreuen Sie sich am Zauber des Moments und staunen Sie über die Magie des eigentlich Unmöglichen!

© Idee/Objekte/Fotos: Andreas Benkwitz; Text: Annette C. Cremer